Atos Q-score: Neue Metrik, um die Leistung von Quantencomputern objektiv zu bewerten

Paris, Starnberg, 14. Dez. 2020 - Universelles Tool zur Leistungsbewertung; Atos Q-score misst die Effektivität eines Quantensystems bei praxisnahen Problemlösungen...

Zum Hintergrund: Atos führt mit seinem sogenannten Q-score nach eigenen Angaben eine erste universelle Metrik für Quantencomputer ein, die auf alle programmierbaren Quantenprozessoren anwendbar sein soll. Q-Score misst die Effektivität eines Quantensystems bei praxisnahen Problemlösungen, an denen herkömmliche Computer scheitern – anstatt einfach nur die theoretische Leistung zu betrachten. Damit sollen sich schon frühzeitig konkrete Vorteile aus dem Quantencomputing ziehen lassen. Atos arbeitet demnach eng mit der Industrie an der Entwicklung von Anwendungsfällen, die sich mithilfe von Quantencomputern beschleunigen lassen. Dazu Elie Girard, CEO von Atos: "Da der Q-Score hardware-unabhängig ist, ist er eine objektive, einfache, faire – und vor allem verlässliche – Messgröße“. 

Was misst der Q-score?

Derzeit ist die Anzahl der Qubits, der Recheneinheit von Quantencomputern, die gebräuchlichste Kennzahl zur Leistungsbewertung eines Quantensystems. Qubits sind jedoch flüchtig und unterscheiden sich in ihrer Qualität (z.B. hinsichtlich Geschwindigkeit, Stabilität usw.) von Quantentechnologie zu Quantentechnologie (Ionenfallen, Silizium, Photonik und viele mehr) stark, was sie laut Entwickler zu einem ungeeigneten Vergleichswerkzeug macht. Indem sich Atos Q-score auf die Fähigkeit konzentriert, bekannte kombinatorische Optimierungsprobleme zu lösen, will es Forschungszentren, Universitäten, Unternehmen und Technologieführer mit expliziten, zuverlässigen, objektiven und vergleichbaren Ergebnissen bei der Lösung praxisnaher Optimierungsprobleme versorgen. Der Anbieter plant dazu jedes Jahr eine Liste der leistungsfähigsten Quantenprozessoren der Welt zu veröffentlichen, basierend auf deren Q-score. Der erste Bericht ist 2021 fällig und soll konkrete Selbstbewertungen der Hersteller enthalten.

Q-score misst die tatsächliche Leistung von Quantenprozessoren bei der Lösung eines Optimierungsproblems, was nach Ansicht der Entwickler repräsentativ für das bevorstehende Quantencomputing-Zeitalter (NISQ – Noisy Intermediate Scale Quantum) ist. Um einen Bezugsrahmen zum Vergleich von Leistungsbewertungen zu bieten und Einheitlichkeit zu gewährleisten, stützt sich Q-score auf ein kombinatorisches Standard-Optimierungsproblem, das für alle Bewertungen gleich ist. Hierbei handelt es um das Max-Cut-Problem, ähnlich des bekannten Travelling Salesman Problems (TSP) – siehe unten). Der Score wird auf Grundlage der maximalen Anzahl an Variablen innerhalb eines solchen Problems berechnet, die eine Quantentechnologie optimieren kann (zum Beispiel: 23 Variablen = 23 Q-score, oder Qs).

Q-score basiert auf einem Open-Access-Softwarepaket und baut auf drei Säulen auf:

  1. Anwendungsgesteuert: Q-score ist laut Atos das einzige Messsystem, das auf in naher Zukunft verfügbaren Quantenalgorithmen basiert und die Fähigkeit eines Quantensystems misst, praktische betriebliche Probleme zu lösen;
  2. Offenheit und Benutzerfreundlichkeit: Q-score ist universell sowie kostenlos und profitiert von dem technologieneutralen Ansatz von Atos. Sein Softwarepaket, einschließlich Tools und Methodik, erfordert keine große Rechenleistung, um die Metriken zu berechnen;
  3. Objektivität und Zuverlässigkeit: Atos kombiniert einen hardware- und technologie-agnostischen Ansatz mit starker Expertise im Entwurf und der Optimierung von Algorithmen, die das Unternehmen in Zusammenarbeit mit großen Industriekunden und Technologieführern im Quantenbereich aufgebaut hat. Die Q-score-Methodik wird veröffentlicht und zur Bewertung freigegeben.

Ein kostenloses Software-Kit, mit dem sich Q-score auf jedem Prozessor ausführen lässt, soll laut Anbieter im 1. Quartal 2021 verfügbar sein. Atos lädt alle Hersteller ein, Q-score auf ihrer Technologie laufen zu lassen und ihre Ergebnisse zu veröffentlichen.

Mit Hilfe der Qubit-Simulationsfähigkeiten der Atos Quantum Learning Machine (Atos QLM), eines leistungsstarken Quantensimulators, ist Atos in der Lage, Q-score-Schätzungen für verschiedene Plattformen zu berechnen. Diese Schätzungen berücksichtigen die Eigenschaften, die die Hersteller öffentlich zur Verfügung stellen. Zwar bewegen sich die Ergebnisse um einen Q-score von 15 Qs, aber der Fortschritt ist schnell: Vor einem Jahr lag der geschätzte durchschnittliche Q-score im Bereich von 10 Qs, und in einem Jahr wird laut Anbieter ein geschätzter durchschnittlicher Q-score von über 20 Qs erwartet. Der Q-score ist vom Atos Quantum Advisory Board, einer Gruppe internationaler Experten, Mathematiker und Physiker auf ihrem Gebiet, die am 4. Dezember 2020 tagte, überprüft worden. (1)


Abb. 1: Atos Quantum Learning Machine, functional scope (Bildquelle: Atos QLM)


Q-score anhand des Travelling Salesman Problems (TSP) verstehen

Die aktuell vielversprechendste Anwendung des Quantencomputers ist die Lösung großer kombinatorischer Optimierungsprobleme. Beispiele für solche Probleme sind das berühmte TSP-Problem und das weniger bekannte, aber ebenso bedeutende Max-Cut-Problem. Die Problemstellung: Ein Reisender muss eine Anzahl von N Städten in einem Rundkurs besuchen, wobei die Entfernungen zwischen allen Städten bekannt sind und jede Stadt nur einmal besucht werden sollte. Was ist die absolut kürzeste mögliche Route, so dass er jede Stadt genau einmal besucht und in die Ausgangsstadt zurückkehrt?

Dieses scheinbar einfache Problem wird recht komplex, wenn es darum geht, eine definitive, perfekte Antwort unter Berücksichtigung einer zunehmenden Anzahl von N Variablen zu geben. Max-Cut hingegen ist ein allgemeineres Problem mit einer breiten Palette von Anwendungen, zum Beispiel bei der Optimierung von elektronischen Platinen oder der Positionierung von 5G-Antennen. Q-score bewertet die Fähigkeit eines Quantenprozessors, diese kombinatorischen Probleme zu lösen.

Q-score, Quantenleistung und Quantenüberlegenheit

Während die weltweit leistungsstärksten Hochleistungsrechner, die in naher Zukunft auf den Markt kommen werden (sogenannte Exascale-HPC), einen äquivalenten Q-score von fast 60 erreichen würden, schätzt das Unternehmen heute nach öffentlichen Daten, dass die beste Quantum Processing Unit (QPU) einen Q-Wert von etwa 15 Qs erreicht. Angesichts der jüngsten Fortschritte erwartet Atos dass die Quantenleistung im kommenden Jahr Q-Werte über 20 Qs erreichen wird.

Q-score lässt sich für QPUs mit mehr als 200 Qbits messen. Daher soll er die ideale Metrik bleiben, um Quantenüberlegenheit zu identifizieren und zu messen. Definiert wird er als die Fähigkeit von Quantentechnologien, ein Optimierungsproblem zu lösen, das klassische Technologien nicht zum gleichen Zeitpunkt lösen können. Atos erwartet demnach, dass die Quantenüberlegenheit im Fall von Optimierungsproblemen bei über 60 Qs erreicht ist.

Das Jahr 2020 stellt einen Wendepunkt im Quantenwettlauf dar: Erstmals lassen sich reale Probleme und Anwendungen identifizieren, die auf der klassischen Ebene nicht zu lösen, aber in der Quantenwelt möglich sind. Mithilfe der Atos QLM und der Expertise von Atos in der Algorithmenentwicklung koordiniert das Unternehmen das europäische Projekt NEASQC (Next Applications of Quantum Computing), eines der ehrgeizigsten Projekte zur Förderung zukunftsnaher Quantenanwendungen, mit denen Quantenüberlegenheit demonstriert werden soll. NEASQC bringt Akademiker und Hersteller zusammen, angetrieben durch die Beschleunigung von Geschäftsanwendungen mittels Quantentechnologie. Diese Anwendungen werden danach durch die Veröffentlichung des ersten NISQ-Beschleunigers von Atos im Jahr 2023, der Qubits in eine HPC-Architektur integriert, weiter unterstützt.


Abb. 1: NEASQC Consortium Partner (Bildquelle: EU-Project NEASQC).


Nachfolgend einige Beispiele solcher Anwendungen von NEASQC-Industriepartnern, die durch Quantencomputing beschleunigt werden könnten:

  • Kohlendioxidabscheidung mit Total: Untersuchung der CO2-Abscheidung, damit die Forscher mithilfe von Informationen über die Wechselwirkungen zwischen Molekülen die Adsorption (Kohlenstoffabscheidung) verstehen, simulieren und optimieren können;
  • Intelligentes Laden mit EDF: Optimierung des Ladevorgangs von Elektroautos an Schnellladestationen, um Warteschlangen zu vermeiden und bei großen Flotten Zeit und Geld zu sparen;
  • Quantum-Monte-Carlo mit HSBC: Entwicklung effizienter Algorithmen, die Monte-Carlo-Techniken für nahe Quantencomputer entweder ersetzen oder neu definieren könnten; dadurch ließe sich die Effizienz von derivativen Preisfestsetzungs- oder Risikomanagementmodellen erheblich steigern;
  • Regelbasiertes Quantensystem mit CESGA: Aufbau eines regelbasierten Systems, das ein spezifisches Problem mit einer großen Anzahl von Daten und Regeln löst, um eine bestimmte Art von Brustkrebs, das so genannte invasive duktale Karzinom, zu diagnostizieren und zu behandeln.

(1) Die Mitglieder des Atos Quantum Beirats sind:

  • Alain Aspect, Professor am Institut d'Optique Graduate School und an der Ecole Polytechnique, Université Paris-Saclay;
  • David DiVincenzo, Alexander von Humboldt-Professor, Direktor des Instituts für Quanteninformation an der RWTH Aachen, Direktor des Instituts für Theoretische Nanoelektronik am Forschungszentrum Jülich;
  • Artur Ekert, Professor für Quantenphysik am Mathematischen Institut der Universität Oxford und Leiter des Zentrums für Quantentechnologien in Singapur;
  • Daniel Esteve, Forschungsdirektor, CEA Saclay, Leiter der Quantronik;
  • Serge Haroche, emeritierter Professor am Collège de France, Nobelpreisträger für Physik.

> Herstellerlink zu Q-score


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