Fortschritte bei der Entwicklung von PCM als neue Speichertechnologie

Zürich (CH), Starnberg, 17. Mai 2016 - IBM Forscher demonstrieren drei Bits pro Zelle in Phase Change Memory bei einer Ausdauerbelastung von einer Million Zyklen...

Zum Hintergrund: die derzeitige Speicherlandschaft reicht von DRAM über Festplatten bis hin zu Flash Storage. Doch in den letzten Jahren hat Phase Change Memory (PCM) als eine mögliche weitere, universelle Speichertechnologie vermehrt Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da sie als nichtflüchtiger Speicher eine preislich attraktive Kombination von Lese- und Schreibgeschwindigkeit, Haltbarkeit und Speicherdichte bietet. IBM Forscher sehen PCM (1) dabei sowohl als eigenständigen Speicher sowie auch in Kombination mit Flash für Anwendungen, in denen die Technologie als extrem schneller Cache-Speicher dient. Unternehmen könnten z.B. Datenbanken in PCM speichern, um Abfragen für zeitkritische Online-Anwendungen wie Finanztransaktionen mit extremer Geschwindigkeit durchzuführen.

  • Mit der zuverlässigen Speicherung und Erhaltung von drei Datenbits pro Zelle haben Wissenschaftler von IBM Research in Rüschlikon bei Zürich nach vorliegenden Angaben nun einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung von Phasenwechselspeichern (Phase Change Memory oder kurz PCM) demonstriert. Zum Einsatz könnte diese Art von Speicher laut IBM insbesondere in Smartphones (extrem kurze Boot-Zeiten), bei Komponenten für IoT / Industrie 4.0 sowie im Bereich von Enterprise Cloud-Storage kommen.

  • Anlässlich des IEEE International Memory Workshop http://www.ewh.ieee.org/soc/eds/imw/ zeigen IBM-Entwickler erstmals die Speicherung von drei Bits pro Zelle in einer Anordnung aus 64.000 Zellen und einer Ausdauerbelastung von einer Million Zyklen.

Zitat: „Phase Change Memory ist die erste Realisierung eines universellen Speichers mit Eigenschaften sowohl von DRAM als auch Flash. Damit antwortet die Technologie auf eine der zentralen Herausforderungen unserer Industrie”, erklärt Dr. Haris Pozidis, einer der Autoren und Manager der Non-Volatile Memory Forschungsgruppe bei IBM Research – Zürich. „Die Fähigkeit, drei Bits pro Zelle zu speichern, ist ein wichtiger Meilenstein für PCM, denn bei dieser Speicherdichte liegen die Kosten für PCM deutlich unter denen von DRAM und viel näher an denen von Flash.”

YouTube Video zu IBM PCM

(1) Das Funktionsprinzip von Phase Change Memory: Die so genannten Phasenwechselmaterialien weisen zwei stabile Zustände auf - eine amorphe und eine kristalline Phase mit tiefer beziehungsweise hoher elektrischer Leitfähigkeit. Um nun eine „1“ oder eine „0“ - also ein Bit - in einer PCM-Zelle zu speichern, wird ein hoher oder mittlerer elektrischer Strom an das Material angelegt. Durch entsprechende Programmierung kann die „0“ in die amorphe Phase und die „1“ in die kristalline Phase geschrieben werden oder umgekehrt. Das Auslesen des Bits erfolgt dann durch die Detektion des Widerstandes mittels Anlegen eines schwachen Stromflusses. Dieses Verfahren liegt auch den wiederbeschreibbaren Blu-Ray-Disks zu Grunde.


Weitere technische Hintergrundinformationen:

Um mehrere Bits pro Zelle speichern zu können, haben die Forscher mehrere neuartige Technologien entwickelt: Verschiedene Verfahren zur Messung des Zellzustandes, die gegen den so genannten Drift (der schleichenden Veränderung der Stabilität der elektrischen Leitfähigkeit der Zelle) immun sind sowie neue drift-tolerante Kodierungs- und Detektionsverfahren.

Drift verändert die Stabilität

  • Die neuen Verfahren zur Messung des Zellzustandes erfassen eine physikalische Eigenschaft der PCM-Zelle, die keiner Veränderung im Laufe der Zeit und somit auch keiner Veränderung durch Drift unterliegt. Für zusätzliche Robustheit der in einer Zelle gespeicherten Daten gegenüber Temperaturschwankungen der Umgebung sorgt zudem ein neuartiges Kodierungs- und Detektionsverfahren. Dieses Verfahren passt die Schwellwerte, die verwendet werden, um die in der Zelle gespeicherten Informationen zu detektieren, auf adaptive Weise an, so dass sie den Veränderungen aufgrund von Temperaturschwankungen folgen. Somit kann der Zellzustand zuverlässig auch nach Ablauf einer beträchtlichen Zeit nach der Programmierung des Speichers ausgelesen werden. Der Speicher ist damit also nichtflüchtig.

  • IBM verwendete einen experimentellen Multi-Bit-PCM-Chip, der mit einer integrierten Standard-Leiterplatte verbunden war. Der Chip besteht aus einer Anordnung von 2 × 2 Millionen Zellen, die in vier Bereiche unterteilt sind und auf die nacheinander durch die Systemarchitektur (interleaving architecture) zugegriffen wird. Die Speichereinheit ist 2 × 1000 μm × 800 μm gross. Die PCM-Zellen basieren auf einer dotierten Chalkogenid-Legierung und wurden auf einem Prototyp-Chip in 90nm-CMOS-Baseline-Technologie integriert, der als Charakterisierungsplattform dient.

Zitat: „Dank dieser Fortschritte lassen sich die großen Herausforderungen der Mehrbit-PCM-Speicherung wie Drift, Variabilität, Empfindlichkeit auf Temperaturschwankungen und Belastbarkeit durch Schreibzyklen erfolgreich meistern“, erklärt Dr. Evangelos Eleftheriou, IBM Fellow und Leiter der Abteilung Cloud & Computing Infrastructure.

Kombination von OpenPOWER mit PCM

IBM Wissenschaftler demonstrierten am OpenPOWER Summit in San Jose, U.S.A., im April dieses Jahres erstmals die Kombination von Phase Change Memory mit POWER8 Servern (gebaut von IBM und TYAN® Computer Corporation) mittels eines CAPI (Coherent Accelerator Processor Interface)-Protokolls. Diese Technologie profitiert von der kurzen Latenzzeit und hohe Zugriffsgranularität von PCM sowie von der Effizienz der OpenPOWER-Architektur und des CAPI-Protokolls. In der gezeigten Demonstration haben die Wissenschaftler sehr geringe und konsistente Wartezeiten für 128-Byte Lese- und Schreibvorgängen zwischen den PCM-Chips und dem Power8-Prozessor gemessen.

Abb. 1: Bildquelle IBM, Phase Change Memory


Literaturverweis:

Der Fachbeitrag „Demonstration of Reliable Triple-Level-Cell (TLC) Phase-Change Memory“ von M. Stanisavljevic, H. Pozidis, A. Athmanathan, N. Papandreou, T. Mittelholzer, and E. Eleftheriou erscheint im Tagungsbericht des IEEE International Memory Workshop, Paris, France, May 16-18, 2016.

IBM Research – Zürich ist der europäische Zweig der IBM Forschung, die mit weltweit rund 3000 Mitarbeitenden an 12 Standorten eine der bedeutendsten industriellen IT-Forschungsorganisationen darstellt. Das Labor wurde 1956 gegründet, befindet sich seit 1963 an seinem heutigen Standort in Rüschlikon und hat sich durch technische und wissenschaftliche Leistungen, darunter zwei Nobelpreise, den Ruf einer weltweit führenden Forschungsinstitution erworben. Heute forschen Wissenschaftler aus mehr als 45 Nationen an Themen wie Nanotechnologie, der Entwicklung künftiger Computersysteme und Speichertechnologien, Cloud Computing, Schutz von Daten und Privatheit, Supercomputing und Simulation, Big-Data-Analytik und Cognitive Computing.