Industrie 4.0: hinkt Deutschland der Vision hinterher?

Vor mehr als vier Jahren wurde der Begriff „Industrie 4.0“ auf der Hannover Messe einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Folgt man aktuellen Untersuchungen, steckt die industrielle Vernetzung im Jahre 2015 jedoch immer noch in den Kinderschuhen. Inwiefern der fertigende Mittelstand tatsächlich bereit für Industrie 4.0 ist, hat zwischenzeitlich auch das Marktforschungsinstitut Pierre Audoin Consultants (PAC) im Auftrag der Freudenberg IT (FIT) in seinem jährlichen IT Innovation Readiness Index erhoben. Positiv ist danach der steigende Bekanntheitsgrad des Themas Industrie 4.0: Fehlte in den vergangenen Jahren vielen Firmen noch die grundlegende Aufklärung, so sehen sich mittlerweile die meisten mit dem nötigen Know-how gerüstet – nur 19% aller Befragten halten diesen Faktor noch für problematisch (Stand 2014: 27%).

  • Großkonzerne wie BMW oder VW arbeiten bereits an ihren Produktionsstätten 4.0 und prägen damit das öffentliche Bild. Das täuscht aber demnach nicht über das Hauptproblem hinweg: Dem mittelständischen produzierenden Gewerbe fehlt es an etablierten Standards, nach denen sie ihre Digitalisierungsprozesse ausrichten können.

  • Themen wie Sicherheit, einheitliche Dateiformate oder Übertragungswege existieren bisher meist nur als Tagesordnungspunkte auf Agenden. Dass Firmen die hohen Investitionskosten scheuen, liegt auf der Hand. Der Weg in die Zukunft ist teuer und oft unklar... keine guten Voraussetzungen für die eher traditionsbewussten Fertigungsbetriebe.

  • Mehr als jeder dritte Befragte hat daher auch das Gefühl, dass seitens der deutschen Politik zu wenig unternommen wird, um den Weg für kleine und mittlere Unternehmen zu ebnen. In den USA etwa hat sich letztes Jahr das „Industrial Internet Consortium“ gegründet, um mit Unterstützung der größten Branchenteilnehmer weltweite Standards zu erarbeiten. Deutschland scheint dagegen laut FIT auf Kongressen und in Workshops erst die Richtung auszuloten...

  • Der 2013 ins Leben gerufene Arbeitskreis „Plattform Industrie 4.0“ hat nach Meinung Freudenberg IT im Vergleich jedenfalls wenig mehr als ein paar gut gemeinte Handlungsempfehlungen hervorgebracht.

Wichtige Fragen weiter ungeklärt

Dass im Januar sogar Frau Dr. Merkel forderte, in puncto Industrie 4.0 geschlossen in eine Richtung zu gehen, zeigt, wie wichtig das Thema geworden ist. Horst Reichardt, CEO der Freudenberg IT, sieht jetzt die Zeit gekommen, aus den Gremien und Workshops herauszutreten. „Die wesentliche Überzeugungsarbeit muss an der Basis der deutschen Wirtschaft geleistet werden. In den Fertigungsbetrieben, die ohne eine klare Vision nicht in der Lage sein werden, die Digitalisierung effizient umzusetzen. Deutschland exportiert bereits seit Jahren IT 4.0, vor allem nach China. Wir haben ausgezeichnete Voraussetzungen, nach dem Hype ist nun die Zeit zu handeln!“


Informationen zur Studie: Für die Untersuchung befragte PAC zum dritten Mal rund 130 IT-Entscheider und Produktionsleiter mittelständischer Fertigungsunternehmen in Deutschland. Die befragte Unternehmensgruppe setzt sich aus folgenden Branchen zusammen: Maschinen- und Anlagenbau (30 Prozent), Automotive (28 Prozent) sowie sonstige Fertigung (42 Prozent) mit einer Mitarbeiterzahl von 250 bis 499 (40 Prozent) beziehungsweise 500 bis 4.499 (60 Prozent).