Starnberg, 12. Juli 2023 - Weshalb der Energieeffizienz von Speichersystemen im RZ eine wichtige Rolle zukommt; daneben gilt es noch weitere Kriterien zu berücksichtigen…
Um was es in diesem Blogpost geht: Auf Grund des Datenwachstums - vorwiegend im semi- und unstrukturierten Bereich - stehen im Rechenzentrum die Speichersysteme (neben Netzwerk und Server) für einen immer größer werdenden Anteil am gesamten Stromverbrauch. Im Zuge der verstärkten Bedeutung von ESG als Standard für nachhaltige Anlagen ist die Datenspeicherung neben der Verarbeitung ein zentrales Element. Storage selbst ist aber mehr als nur ein Speichermedium, sondern schließt den Einsatz entsprechender Datenverwaltungssoftware-Werkzeuge ein. Erst in der richtigen Kombination von Compute-Ressourcen mit Speicherhardware plus Software lassen sich aus Sicht von Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in diesem Bereich reale Synergien erzeugen.
Was versteht man unter ESG?
Das Kürzel beschreibt (drei) Verantwortungsbereiche von Unternehmen und Organisationen, die verschiedene nachhaltigkeitsbezogene Kriterien beinhalten. Laut Prof. Dr. Philipp Haberstock (1) basieren die geforderten Nachhaltigkeitsratings auf der Analyse dieser Kriterien:
„Environment („E“) steht für Umweltverschmutzung oder -gefährdung, Treibhausgasemissionen oder Energieeffizienzthemen (Umwelt).
Social („S“) beinhaltet Aspekte wie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Diversity oder gesellschaftliches Engagement (Corporate Social Responsibility).
Governance („G“) bezeichnet eine nachhaltige Unternehmensführung. Hierzu zählen z.B. Themen wie Unternehmenswerte oder Steuerungs- und Kontrollprozesse (Corporate Governance)."
(1) Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon, Prof. Dr. Philipp Haberstock, International School of Management (ISM); Stellv. Departmentleiter Strategy, Finance & Innovation.
Laut der neuen Studie „IT & Sustainability in Deutschland 2023“ von IDC verfügen zur Zeit nur 30 Prozent der Befragten über eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie in ihrem Unternehmen. Veraltete IT-Infrastrukturen und der Fachkräftemangel sind demnach für jeweils ein Viertel der Unternehmen die größte Herausforderung bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele. Für jedes zweite Unternehmen spielen Cloud-Lösungen für nachhaltige Unternehmens- und Wertschöpfungsprozesse laut dem Report eine sehr wichtige Rolle. Und folgt man den Analysen von Gartner "Emerging Technologies, Enterprise Storage, 2021" ist die Server-Hardware mit 40% für den Hauptteil des Energieverbrauchs im Datacenter beteiligt, während Unternehmensspeicher (ohne Kühlung) bei rund 18% liegen sollen.
ESG-Analysen sind eben nicht trivial und es ist wichtig, dass Unternehmen nicht nur den allgemeinen Markttrends folgen. Empfehlenswert ist es, die Analyse auch als eine weitere Möglichkeit zu sehen, den Betriebserfolg zu verbessern. Aus Sicht der IT im Rechenzentrums-Umfeld betrifft das die Modernisierung und den optimierten Einsatz der dazugehörigen IT-Infrastruktursysteme- und Komponenten.
Beispiel: Neben der Rechenleistung gehört die Datenspeicherung nebst Kühlung zu den Bereichen mit dem höchsten Stromverbrauch. Je nach Anteil des verbrauchten Stroms, der auf fossilen Energieerzeugern beruht, lässt sich daraus berechnen für wieviel CO2 die RZ-Storage-Umgebung verantwortlich zeichnet. Auf viele Daten wird zudem nach einiger Zeit nur mehr selten zugegriffen. Als Konsequenz daraus könnte die Migration dieser kaum benutzten inaktiven (kalten) Daten von Festplattensystemen auf stromlose Bandspeicher oder teilweise auf Flash (Metadaten) zur deutlichen Verringerung der CO2-Emissionen beitragen (Faktor 5-6).
Neben dem geringeren Stromverbrauch steht die Speicherung auf stromlose Medien wie Tape auch für weniger Abfall und Elektronikschrott (Stichwort: Umweltverschmutzung). Bandspeicher weisen eine deutlich längere Lebensdauer als Festplattensysteme auf. LTO-Medien sind bei gängigen Einsatzprofilen zwischen 10 und 20 Jahren einsetzbar, je nach Beanspruchung und Lagerung. Die Tape-Medien-Haltbarkeit ist mit bis zu 50 Jahren spezifiziert (lto.org/tco-calculator). In Deutschland allein fielen 2021 übrigens laut Wikipedia rund 376.748 Tonnen Elektroschrott an.
Bildquelle: https://www.bitkom.org/ Update der ausführlichen Studie »Rechenzentren in Deutschland: Aktuelle Marktentwicklungen 2022« (Hintemann, Graß, et al., 2022).
Diesen Beitrag bei Apple Podcasts hören (11:45 min.). Externer Link > https://podcasts.apple.com/de/podcast/nachhaltigkeit-energieeffizienz-esg-und-storage/id81294878?i=1000622144039
Festplattenlaufwerke enthalten viele bewegliche Teile die ausfallen können und somit eine kürzere Lebenszeit bedeuten (MTBF). Daraus ergeben sich je nach Einsatz häufigere Aktualisierungszyklen gegenüber Tape (3-5 Jahre gegenüber 10-20). Die Kehrseite der Medaille: oftmals finden sich veraltete Bandtechnologien im Einsatz, die dann nicht mehr zuverlässig arbeiten.
Die Lebensdauer eines Flash-Speichers wird auch durch die Anzahl der P/E-Zyklen ausgedrückt, die der Speicher standhalten kann. HIntergrund: Technologisch ist das über die spezielle Floating-Gate-Struktur des Flash-Speichers bestimmt, da sich die Oxid-Isolationsschicht im Inneren der Zelle während des P/E-Prozesses des Flash-Speichers abnutzt und sog. "Elektronenfallen" in der Oxid-Isolationsschicht entstehen. Mit zunehmender Anzahl der P/E-Zyklen nimmt diese Anzahl zu. Dieser Prozess ist unumkehrbar und die Zellen werden unbrauchbar (wear-out).
Eine SSD wird in der Regel so lange halten, wie der Hersteller es angibt (z.B. fünf Jahre), vorausgesetzt, dass das Laufwerk nicht übermäßig für Workloads genutzt wird, für die es nicht konzipiert wurde (z.B. Verwendung von QLC für Anwendungen mit einer hohen Anzahl von Schreibvorgängen anstelle von SLC). Anders als bei HDDs sind NAND Flash Drives bei der Beschaffung damit noch immer auch applikationsabhängig zu betrachten. Beispiel: Bei vorwiegend 64kB-, 256kB- und 2MB-Blöcken in einem gemischten Verhältnis mit viel Schreiben können moderne HDD-Systeme je nach Kapazität auch mit SSD-Laufwerken konkurrieren. Sogar in Bezug auf den Energieverbrauch sollten die Unterschiede bei für Flash ungünstigen Workloads dann nicht mehr so deutlich ausfallen.
Datenbank-Anwender, die sehr viele Transaktionen ausführen, werden sich eher bei einer höheren Anzahl von Schreibvorgängen für SLC/MLC auf Kosten der Kapazität entscheiden. User wiederum, die eine Datenbank mit wenigen Schreibvorgängen betreiben, können sich für eine geringere Anzahl von Schreibvorgängen auf dem Laufwerk und für eine höhere Kapazität (QLC) entscheiden. Flash-only ist aus Kapazitäts- und Kostengründen für große unstrukturierte Datenmengen und Archivzwecke im höheren Multi-Petabyte-Bereich derzeit schon kostenseitig keine Alternative. Hier bieten sich HDDs und Tape an, während Flash für Caching / Metadaten optimal geeignet ist. SSDs bietet sich als energieeffizientes Medium mit QLC (PLC ist noch nicht verfügbar) zudem für Workloads im Bereich von File- und Object bei „warmen“ Daten an (laut IDC sind das ca. 30% aller Daten).
SSDs und HDDs sind in der Praxis über die normale Nutzungsdauer von max. 5 Jahren ähnlich zuverlässig im Standard-Betrieb, jedoch ist der Energieverbrauch pro Terabyte (TB) bei Flash-Architekturen niedriger (ca. 1 W/TB). Generell gilt: NAND-Flash Enterprise SSDs sind der Festplatte in Bezug auf I/O-Leistung, Ausfallsicherheit und Energieeffizienz bei richtigem Anwendungseinsatz und normaler Nutzungsdauer überlegen.
Zusammenfassung: In Bezug auf die Speicher- und Energieeffizienz in Rechenzentren spielen neben den heute verfügbaren Speichermedien als Basistechnologie (Flash, HDD, Tape, und Kombinationen) verschiedene Faktoren eine Rolle. Neben den Anwendungsprofilen selbst ist der Einsatz von Datenklassifizierung als Vorbereitung zur Migration ein wichtiger Punkt. Weiter spielen Verfahren zur Datenreduktion wie Deduplizierung, Kompression, Thin Provisioning und Erasure Coding (anstelle RAID) eine Rolle. Optimal kombiniert und eingesetzt, können über das Jahr gerechnet daraus teils erhebliche Stromkosteneinsparungen pro KWh pro Anwendung und Speicher resultieren. Der Modernisierung und dem optimierten Einsatz der entsprechenden IT-Infrastruktursystemen- und Komponenten kommt somit aus ESG-Sicht eine verstärkte Bedeutung zu.
Weiterer Querverweise:
Unser Beitrag > Energieverbrauch und Umwelt: Rechenzentren können mehr als Digitalisierung
In unserem Tech-Podcast nachgefragt > Podcast: moderne Speicherverwaltung unter Einbeziehung von Storageklassen und Cold Data
Unser Beitrag > Nachhaltigkeit und Digitalisierung: Wie läßt sich IT-seitig Zero-Cost-Transformation erreichen?