Die Zukunft der Festplatte: Auf dem Weg zu 100 Terabyte

München, Starnberg, 29. Aug. 2022 - Der Bedarf an kosteneffizienten und leistungsfähigen Speichermedien nimmt weiter zu; exklusiver Gastbeitrag mit Ausblick von Seagate...

Zum Hintergrund: Ein bekannter Effekt der Digitalisierung ist, dass die Datenbestände rapide anwachsen. Das gilt für Client-Systeme wie Workstations-/Notebooks, vor allem aber für Server, Storage-Systeme sowie Archivierungslösungen in den Rechenzentren von Unternehmen und Cloud-Serviceprovidern. Laut dem Rethink Data Report, den Seagate zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen IDC erstellt hat (Quelle: Seagate, externer Link) steigt das Datenvolumen in europäischen Unternehmen um etwa 38 Prozent pro Jahr. Für 2022 wird danach erwartet, dass in jeder Organisation mehr als zwei Petabyte Daten anfallen werden; etwa in den eigenen Rechenzentren, Cloud-Repositories sowie an Edge- und Remote-Standorten. Dieser Trend macht Festplatten mit großen Kapazitäten unverzichtbar.

Im folgenden Beitrag geht André Ambrosius - Regional Sales Manager Enterprise DACH bei Seagate Technology - für uns exklusiv auf die aktuellen Weiterentwicklungen seines Hauses im Bereich der Festplatten-Technologien (HDDs) ein. Aus seiner Sicht kann danach Flash die HDD heute nicht ohne Weiteres ersetzen. So ergaben Analysen von Seagate, dass die Betriebskosten (TCO) von Storage-Systemen mit SSDs zumindest bis 2030 um ein Mehrfaches über denen von Lösungen mit Harddisks liegen; Zitat: "je nach Workload und Applikation etwa um den Faktor vier bis sechs.“ (1)

 

Mehr Speicherplatz und Performance durch MACH.2- und HAMR-Technologie

„Dass Festplatten mittelfristig bessere TCO-Werte als Flash-Speichermedien aufweisen, liegt auch daran, dass sich HDDs technologisch nach wie vor weiterentwickeln. Das belegt beispielsweise die MACH.2-Technologie von Seagate. Diese adressiert eine Herausforderung, vor der vor allem (Cloud-)Serviceprovider und Hosting-Anbieter stehen: Sie wollen ihren Kunden niedrige Latenzzeiten garantieren, wenn diese auf Daten und Applikationen zugreifen. In vielen Fällen teilen sich jedoch mehrere Anwender den Speicherplatz auf einem Server oder Storage-System. Von einer Festplatte mit 10 TB stehen beispielsweise fünf Kunden jeweils 2 TB zur Verfügung. Das kann die Zugriffszeiten erhöhen. Der Grund: Bei Standardfestplatten ist nur ein Aktuator mit einem einzelnen Datenpfad vorhanden, der alle Schreib- und Lesezugriffe abdecken muss.

Hinzu kommt: Je größer eine HDD ist, desto weniger IOPS (Input/Output Operations per Second) pro Terabyte stehen zur Verfügung, wenn vorgegebene Latenzzeiten eingehalten werden müssen. Bei Nearline-Storage-Systemen, die HDDs mit 10 TB verwenden, beträgt das Verhältnis etwa 8 IOPS/TB. Bei einem Modell mit Festplatten mit 24 TB Kapazität sinkt es auf etwa 3 IOPS/TB. Letztlich bedeutet dies, dass ein Workload nur einen Teil der gebuchten HDD-Ressourcen verwenden kann, wenn hohe Verzögerungszeiten vermieden werden sollen.

 

Abb. 1: Bis mindestens 2030 wird die Total Cost of Ownership (TCO) von Storage-Systemen mit SSDs deutlich über der von Lösungen mit Harddisks liegen (Bildquelle: Seagate).

 

MACH.2: Zwei Aktoren sind besser als einer

Festplatten mit der MACH.2-Technologie, etwa die der Reihe Seagate Exos 2X14, bieten eine Lösung für diese Herausforderung, da sie jeweils zwei Aktoren und Datenpfade verwenden. Diese arbeiten unabhängig voneinander. Eine MACH.2-HDD mit 14 TB stellt sich so aus Sicht der Systemsoftware als zwei Platten mit jeweils 7 TB dar. Ein Host-Rechner kann daher parallel Daten aus zwei Bereichen der Festplatten abrufen. Beide Aktoren werden über das SAS-LUN-Protokoll adressiert, als LUN0 und LUN1.

Damit lassen sich im Vergleich zu Festplatten mit einem Aktor bei der Exos 2X14 doppelt so hohe sequentielle-Lese- und Schreibwerte über beide LUNs erreichen. Die SDR (Sustained Data Rate) liegt bei diesem Festplattenmodell bei 520 MB/s. Kommende Generationen werden noch höhere Datenraten erreichen. Die höchsten Performance-Gewinne im Vergleich zu einem Aktor zeigen sich beim sequenziellen Lesen und Schreiben mit 128 KB und zwei oder mehr Queues sowie bei Random-Read-Aktionen (alle Transfergrößen) und Random-Write-Vorgängen mit 128 KB und größer.

Festplatten mit MACH.2 im 3,5 Zoll-Format sind für Nearline-Storage-Systeme vorgesehen, auf denen große Datenmengen lagern. Sie konkurrieren dementsprechend auch nicht mit HDDs mit Kapazitäten von 900 GB bis 2,4 TB, die in Servern zum Einsatz kommen. Zu den klassischen Einsatzfeldern von MACH.2-Festplatten zählen Content Delivery Networks (CDNs), das Videostreaming, Cloud-Anwendungen, Hadoop-Umgebungen und Backuplösungen.

Link > https://www.seagate.com/de/de/innovation/multi-actuator-hard-drives/

 

Höhere Kapazitäten mit HAMR

Während bei Festplatten mit MACH.2 die IOPS-Raten und Latenzzeiten im Fokus stehen, ist es bei einer Technologie wie HAMR (Heat-Assisted Magnetic Recording) die Kapazität. Mit diesem Verfahren sind Festplatten von 20 TB und mehr möglich. Mit dem erweiterten Verfahren HAMR 2 strebt Seagate mittelfristig Kapazitäten von 50 TB an. Am Ende des Jahrzehnts könnten sogar HAMR-HDDs mit 100 TB auf den Markt kommen.

HDDs in dieser Größenordnung lassen sich nicht mehr mit konventionellen Verfahren wie Perpendicular Magnetic Recording (PMR) oder Shingled Magnetic Recording (SMR) herstellen. Bei HAMR kommen daher zwei neue Ansätze zum Tragen:

  • Eine Eisen-Platin-Legierung (FePt) als Material für die Scheiben der HDD in Verbindung mit einem speziellen Glassubstrat. Diese Kombination ermöglicht es, die Dichte der Magnetpartikel und damit der Bits auf einer Scheibe zu erhöhen, ohne dass es zu Problemen mit der thermischen Stabilität kommt.

  • Schreibköpfe, in die ein Laser integriert ist. Dieser erhitzt beim Schreiben kurzzeitig kleine Bereiche des Trägermaterials auf eine Temperatur von knapp unter 450 Grad Celsius. Das ist notwendig, damit der Schreibkopf kurzzeitig die magnetische Polarität der Partikel („Körner“, Grains) beziehungsweise Bits ändern und Informationen auf der Scheibe speichern kann.

  • Das Erhitzen und Abkühlen dauern nur eine Nano-Sekunde, sodass die Stabilität des Mediums nicht beeinträchtigt wird. Indem die Leistung des Lasers variiert wird, lassen sich kleinere und größere Punkte („Spots“) auf den Eisen-Platin-Scheiben beschreiben.

 

Abb. 2: Bildquelle Seagate

 

HAMR - Neue Ära der Festplattentechnologie

HAMR gilt unter Fachleuten als nächste Evolutionsstufe der Festplattentechnologie. Seagate hat bereits mehrere 10.000 HAMR-Festplatten im 3,5 Zoll-Format mit einer Kapazität von 20 TB produziert und ausgewählten Kunden zur Verfügung gestellt. Sie weisen eine Datendichte von 1,3 Tb pro Quadrat-Zoll auf. HDDs gleicher Größe, aber in konventioneller Bauweise, kommen auf etwa 1,12 Tb/Quadrat-Zoll.

Mittlerweile sind neue Generationen von HAMR und entsprechenden HDDs in Entwicklung. Sie könnten Scheiben mit einer FePt-Legierung und einer Dichte von 4 bis 6 Tb/Quadrat-Zoll enthalten und in den Bereich jenseits von 50 TB vorstoßen. Mit einer noch höheren Datendichte ist bis zum Ende des Jahrzehnts zu rechnen. Allerdings wird diese Entwicklung angesichts der Komplexität der Technologie eher in inkrementellen Schritten erfolgen, nicht in größeren Sprüngen wie bei PMR. Dennoch wird HAMR maßgeblich dazu beitragen, dass Festplatten auch in einigen Jahren die Konkurrenz durch Flash-Speicher nicht zu fürchten brauchen.

Im Gegenteil: HDD und SSD dürften künftig noch enger „zusammenarbeiten“. Dazu tragen beispielsweise HDDs bei, die das NVMe-Protokoll unterstützen. Seagate hat 2021 den Prototypen einer solchen HDD vorgestellt. Die Version 2.0 der NVMe-Spezifikation, die ebenfalls 2021 verabschiedet wurde, unterstützt nicht nur SSDs, sondern erstmals auch „rotierende Medien“ wie Festplatten. Dadurch wird es einfacher, SSDs und HDDs parallel in Storage-Pools zu verwenden und in Subsystem-Architekturen wie NVMe over Fabrics (NVMe oF) zu integrieren.

 

Abb. 3: Bei der HAMR-Technologie (Heat-Assisted Magnetic Recording) erhitzt ein Laser beim Schreiben das Eisen-Platin-Trägermaterial der Festplatte. Mit diesem Verfahren sind Festplatten vom 50 Terabyte und noch größeren Kapazitäten möglich (Bildquelle: Seagate).

Link > https://www.seagate.com/de/de/innovation/hamr/

 

FAZIT- Festplatten sind weiterhin unverzichtbar

Die These, dass Festplatten mittelfristig Flash-Speicher Platz machen werden, ist nicht haltbar. Auch künftig wird es eine Koexistenz beider Technologien geben. Das ist zu einem beträchtlichen Teil darauf zurückzuführen, dass Ansätze wie HAMR und MACH.2 der Festplatte zu höheren Speicherkapazitäten und einer optimierten Performance verhelfen. Dadurch bleiben Harddisks auf lange Sicht die erste Wahl für Workloads und Anwender, für die ein ausgewogenes Verhältnis von Leistung und Kosten eine wichtige Rolle spielt. Das heißt, auch wenn in Rechenzentren der prozentuale Anteil an SSDs kontinuierlich wächst, entfallen nach wie vor 80 bis 90 Prozent der Speicherkapazität auf HDDs.“

 

(1) André Ambrosius (Bildquelle: Seagate)

 

Querverweis zum Themenkomplex:

In unserem Tech-Podcast nachgefragt > Objektdaten-Speicherung nur für große Datenmengen? Einsatzbereiche & Use Cases

In unserem Tech-Podcast nachgefragt: Moderne Speicherverwaltung unter Einbeziehung von Storageklassen und Cold Data