Festplatten oder Flash SSDs: Die Entscheidung ist klar, oder? Eine Analyse zur Positionierung

Starnberg, 06. Mai 2020 - Das Testszenario: Was spricht für Festplatten und was dagegen? Toshiba Electronics Europe zur Frage, ab wann HDDs gegenüber eSSDs Vorteile bringen...

Zum Hintergrund: Derzeit sind immer noch sehr viele Speichersysteme im Einsatz, die nicht als All-Flash-Varianten arbeiten und neben der Technik spielen wirtschaftliche Rahmenbedingungen (Capex, Opex) bei der Auswahl natürlich auch eine Rolle, wenngleich mit QLC inzwischen NAND Flash in etwa preislich zu HDDs in bestimmten Konfigurationen gleichgezogen hat. (1) Man kann es aber auch anders formulieren: intelligente Speicherarchitekturen sind das Mittel der Wahl und All-Flash stellt nicht die einzige Möglichkeit dar, um speicherseitig eine hohe Performance für Enterprise Applikationen bereitzustellen. Als ein Beispiel im Enterprise-Umfeld kann (neben den vielen hybriden Angeboten im Markt) der Speicherspezialist Infinidat dienen, dessen Storage-Plattform ausschließlich mit hoch-kapazitativen Festplatten arbeitet (mit Ausnahme des Cache aus DRAM und NAND Flash natürlich). Entscheidend ist hier die Cache-Effizienz (Hitrate) im Verbund mit Controller-Intelligenz (Firmware O/S, ML-Algorithmen etc).

Als konkretes Beispiel soll uns hier aber das folgende Testszenario dienen, welches Rainer W. Käse (1), Senior Manager Business Development, Storage Products bei Toshiba Electronics Europe, in seinem Bericht für Sie zusammenfasst hat. Hinsichtlich der Performance muss laut dieser Analyse nicht immer eine reine SSD-Konfiguration die beste Wahl sein. Das Unternehmen ging in seinem Testlab der Frage nach, ab welchem Punkt der Umstieg auf HDDs mehr Leistung bringt als ein System, das ausschließlich auf Enterprise-SSDs (eSSDs) basiert. Zur Untersuchung von Toshiba Electronics Europe:

„Insgesamt ist nicht zu bestreiten, dass es Applikationen und Anwendungsfälle gibt, in denen SSDs einen klaren Vorteil gegenüber HDDs besitzen. Andererseits steht aber auch fest, dass HDDs weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden und zwar noch für eine lange Zeit. Zum einen werden kontinuierliche Optimierungen von Energieeffizienz und Performance ihre Position festigen und zum anderen werden sie auch hinsichtlich Kosten pro Terabyte und Kapazität pro Laufwerk im Vergleich zu SSDs dominierend bleiben. Darüber hinaus hat die Untersuchung von Toshiba gezeigt, dass HDD-Lösungen abhängig von den konkreten Workloads auch eine höhere Performance als SSD-basierte Systeme bieten können, und zwar bei nur geringfügig höheren Energiekosten. Damit bleiben reine HDD-Konfigurationen für viele reale Anwendungsszenarien die beste Wahl.

SSDs bieten eine hohe Performance und HDDs sind kostengünstige Lösungen für die Speicherung großer Datenmengen. So lautet die allgemeine Einschätzung. Eine detaillierte Analyse belegt aber, dass vor allem auch die Art der zu speichernden Datenblöcke die Performance von HDD- und SSD- basierten Speicherarchitekturen bestimmt.

In der Theorie scheint in der Welt der Datenspeicherung die Entscheidung zwischen HDD und SSD klar zu sein: SSDs weisen eine hohe Performance und Energieeffizienz auf und sind damit den altbekannten HDDs deutlich überlegen, auch wenn klassische Festplatten kostengünstiger sind und eine höhere Speicherkapazität bieten. In der Praxis sieht die Sache aber bisweilen anders aus, wie ein Testszenario beweist.

In den letzten Jahren sind verstärkt SSDs auf den Markt gebracht worden, die hohe Kapazitäten in immer kleineren Formfaktoren bieten. Durch den Verzicht auf mechanische Teile sind sie robust und für den Einsatz in Notebooks und anderen portablen Geräten optimal geeignet. Da SSDs keine Sektoren auf einer sich drehenden Platte finden müssen, sind sie auch wesentlich reaktionsschneller als HDDs und bieten typischerweise einen höheren Durchsatz bei Input/Output Operations Per Second (IOPS). HDDs hingegen zielen vielfach auf die Maximierung der Speicherkapazität ab; 16TB pro Laufwerk sind bereits erreicht und 20TB in Sichtweite. Durch die Nutzung von Helium als Gas im Laufwerk und die kontinuierliche Verbesserung der Spindelantriebstechnologie und des Controllers werden auch die übrigen Spezifikationen wie Geräuschentwicklung, Stromverbrauch und Datenrate ständig verbessert. Es ist jedoch klar, dass HDDs in diesen Bereichen niemals mit SSDs konkurrieren werden.

Bei derartigen Vergleichen gehen also die SSDs als Sieger hervor. Die nächste Schlüsselfrage betrifft aber die Kosten. Die Vorteile von SSDs sind mit einem erheblichen „Preisaufschlag“ verbunden, der derzeit beim Vergleich von Geräten derselben Klasse bis zum Zehnfachen der Kosten von HDDs pro TB beträgt. Einige Anwendungen rechtfertigen diese Ausgaben, beispielsweise Boot-Laufwerke von Servern oder Tier-0-Applikationen, bei denen ein einzelnes oder nur wenige Laufwerke zum Einsatz kommen. Bei den meisten Speicheranwendungen hingegen kommt es auf ein gutes Gleichgewicht zwischen Gesamtkapazität und Performance an, etwa in Bereichen wie Web-Hosting, E-Mail-Service, Cloud-Speicherung, Backup und Archivierung sowie Content-Bereitstellung (Streaming).

In vielen Anwendungsfällen spricht also der Kostenfaktor für die HDD-Nutzung. Doch auch hinsichtlich der Performance muss nicht immer eine reine SSD-Konfiguration die beste Wahl sein, wie eine Untersuchung von Toshiba zeigt. Das Unternehmen ging dabei der Frage nach, ab welchem Punkt der Umstieg auf HDDs mehr Leistung bringt als ein System, das ausschließlich auf Enterprise-SSDs (eSSDs) basiert.

  • Für die Testkonfiguration hat Toshiba zum einen ein System aufgebaut, das acht 1,6TB SATA eSSDs enthält, die mit einem Microsemi Adaptec SuperRAID Controller in einem Supermicro-Gehäuse verbunden sind. Das System ist als RAID6-Array konfiguriert, um eine möglichst hohe Speicherkapazität bei hoher Datensicherheit zu erreichen. Die Nettokapazität beträgt etwa 10TB mit doppelter Parität für die Datensicherheit. Die Laufwerke bieten außerdem 3DWPD (Drive Write Per Day), das für aktive Unternehmens-Speicheranwendungen empfohlene Minimum in dieser Kapazitätsklasse.

  • Zum anderen wurde zu den gleichen Kosten ein vergleichbares System mit 24 SAS-Festplatten mit 10.500U/min und 2,4TB konzipiert. Da das System mit Hochleistungs-SSDs konkurrieren musste, wurde eine RAID10-Array-Konfiguration gewählt, also eine Kombination von RAID-0 Striping mit parallel genutzten Laufwerken zur Performance-Aggregation und RAID1-Spiegelung für die Datensicherheit. Der RAID-Controller kam vom gleichen Anbieter wie in der SSD-Umgebung und als Chassis wurde ein 2HE-Hot-Swap-JBOD von AIC gewählt. Dieser Testaufbau bot einen Gesamtspeicher von etwa 30TB.


Zum detaillierten HDD-SSD-Vergleich wurden Random-Workloads mit dem flexiblen I/O-Tester „Fio“ erstellt, einem Freeware-Benchmarking-Tool zum Testen unterschiedlicher Workloads auf Speichersystemen. Wie zu erwarten war, lieferte die eSSD-Lösung eine bessere Performance und einen höheren Durchsatz bei kleinen Blockgrößen zwischen 4kB und 32kB. Die HDD-Plattform liegt in diesem Blockgrößen-Spektrum in Bezug auf die IOPS zwischen dem 1,6- und 7-Fachen hinter der eSSD-Plattform zurück.

  • Ab einer Blockgröße von 64kB zeigt sich allerdings der Performanceeinfluss der höheren Anzahl von HDDs. Es wurden IOPS-Verbesserungen von 14% erreicht, die bei einer Erhöhung der Blockgröße auf 512kB auf 86% anstiegen.

  • Natürlich kann man einwenden, dass reale Anwendungen nicht aus einer einzigen Blockgröße bestehen, aber selbst wenn man das System im Verhältnis 20:50:20:10 auf 4kB-, 64kB-, 256kB- und 2MB-Blöcke aufteilt, bietet der HDD-Server weiterhin 37% höhere IOPS-Werte im Vergleich zu seinem eSSD-Pendant.

Weitere Untersuchungen zeigen auch, dass mit denselben Kosten 60 2TB-SATA-Festplatten mit 7.200U/min in einer RAID10-Konfiguration angeordnet werden können, die noch höhere IOPS liefern. Im Vergleich zur eSSD-Konfiguration liegen bei einer Blockgröße von 64kB die IOPS um 69% höher. Auch gegenüber der Konfiguration mit 10.500-U/min-Festplattenlaufwerken ist eine 48-prozentige Verbesserung zu verzeichnen.

Abb. 1: Die heliumversiegelte HDD-Serie MG08 von Toshiba bietet 16TB Speicherkapazität (Quelle: Toshiba Electronics Europe).


Nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass für Rechenzentren überdies der Energieverbrauch ein wichtiges Thema ist. Es liegt dabei auf den ersten Blick auf der Hand, dass große Mengen an Festplatten nicht mit energieeffizienten eSSDs konkurrieren können, allerdings ist der Unterschied nicht so groß, wie zu erwarten ist. Bei den beiden Test-konfigurationen würde die eSSD-Lösung etwa 788 kWh pro Jahr benötigen, während die HDDs 2015 kWh pro Jahr verbrauchen. Unter der Annahme von 0,07 Euro Kosten pro kWh und einer Power Usage Effectiveness PUE von 1,3 verursacht die HDD-Lösung nur 110 Euro mehr an Energiekosten pro Jahr, was weniger als 10 Euro pro Monat zusätzlich bedeutet – bietet aber die dreifache Kapazität!

Normalerweise werden nicht jeden Tag neue Rechenzentren gebaut oder bestehende aufgerüstet, sodass Betreiber auch technologische Verbesserungen und Innovationen im Auge behalten sollten. Die Flash-Technologie scheint sich in einem rasanten Tempo weiterzuentwickeln, aber es ist fraglich, ob SSDs kurz- oder mittelfristig einen Preispunkt erreichen können, der sie im Vergleich zu HDDs konkurrenzfähiger macht. Auch in puncto Speicherkapazität werden SSDs den Bedarf in naher Zukunft nicht decken können.

Gegenwärtig investieren die Hersteller von Flash-Speichern zwar in den Aus- und Neu-bau von Fabrikationsanlagen, aber laut aktuellen Prognosen wären mindestens 100 Milliarden Dollar nötig, nur um die Fertigungskapazität zu verdoppeln. Die Diskrepanz zwischen HDD und SSD im Hinblick auf die Massenspeicher-Nutzung verdeutlicht auch ein Blick auf das Jahr 2019, in dem etwa 900EB, also 900 Millionen TB, an HDD-Speichern produziert wurden, aber nur rund 150EB von SSD-Herstellern.


Abb. 2: HDD-Lab von Toshiba Electronics Europe (Quelle: Toshiba Electronics Europe). Hinweis auf zwei Video-Ressourcen:

Fazit

Insgesamt ist nicht zu bestreiten, dass es Applikationen und Anwendungsfälle gibt, in denen SSDs einen klaren Vorteil gegenüber HDDs besitzen. Andererseits steht aber auch fest, dass HDDs weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden und zwar noch für eine lange Zeit. Zum einen werden kontinuierliche Optimierungen von Energieeffizienz und Performance ihre Position festigen und zum anderen werden sie auch hinsichtlich Kosten pro Terabyte und Kapazität pro Laufwerk im Vergleich zu SSDs dominierend bleiben. Darüber hinaus hat die Untersuchung von Toshiba gezeigt, dass HDD-Lösungen abhängig von den konkreten Workloads auch eine höhere Performance als SSD-basierte Systeme bieten können, und zwar bei nur geringfügig höheren Energiekosten. Damit bleiben reine HDD-Konfigurationen für viele reale Anwendungsszenarien die beste Wahl.“

 

(1) Das Foto zeigt Rainer W. Käse, Senior Manager Business Development, Storage Products, Toshiba Electronics Europe (Quelle: Toshiba Electronics Europe).


Weitere Querverweise zum Thema:

(1) Unser Beitrag > QLC vs. TLC: Micron liefert Quad-Level-Cell Enterprise NAND SSDs als Ersatz für 10K HDDs

Unser Blogpost > Wie zukunftsfähig ist iSCSI oder macht NVMeoF längerfristig das Rennen?

Unser Beitrag > SSDs im Rechenzentrum richtig einsetzen: Tipps und technischer Überblick

Unser Blogpost > Storage-Systeme und Künstliche Intelligenz - Neuland oder Business as Usual?

Unser Blogpost > Bugetgerechtes Data Management mit (Cloud) Tiering